Katastrophenschutzeinsatz in Rheinland-Pfalz Hochwasserkatastrophe – Einsatzbericht Teil I

Vor eini­gen Wochen wur­de in Deutsch­land das medi­al über­all ver­tre­te­ne The­ma „Coro­na“ schlag­ar­tig von einer neu­en Kata­stro­phen­mel­dung abgelöst.

Stark­re­gen­fäl­le, hef­ti­ge Unwet­ter und das dar­aus resul­tie­ren­de Anstei­gen der Fluss­was­ser­pe­gel führ­ten dazu, dass vie­ler­orts in Nord­rhein-West­fa­len und Rhein­land-Pfalz gan­ze Ort­schaf­ten bin­nen weni­ger Stun­den unter Was­ser stan­den. Es wird von einer Jahr­hun­dert-Kata­stro­phe gespro­chen und nach den Erfah­run­gen, wel­che wir, die 13 Kame­ra­din­nen und Kame­ra­den der BRK Bereit­schaft Holl­feld, aus dem Kri­sen­ge­biet mit nach Hau­se gebracht haben, wis­sen wir, dass das noch unter­trie­ben ist.

Es war gegen 21:00 Uhr, als wir am Sonn­tag den 18. Juli, in Alarm­stu­fe I gesetzt wur­den. Das bedeu­te­te erst ein­mal noch nichts Kon­kre­tes. Fahr­zeu­ge auf ihre Fahr­taug­lich­keit über­prü­fen, das Equip­ment auf Funk­tio­na­li­tät che­cken und die Hel­fer der Bereit­schaft vor­in­for­mie­ren. Auf die­se drei Maß­nah­men beschränk­te sich die­se soge­nann­te „Alarm­stu­fe I“. Ob es dann tat­säch­lich zu einer Ein­satz­an­for­de­rung kommt, stand zu die­sem Zeit­punkt noch in den Sternen.

Am fol­gen­den Tag war es dann aber über­ra­schen­der Wei­se doch schon so weit. Alles ging Schlag auf Schlag. Um 09:37 Uhr erhiel­ten wir durch unse­ren Bereit­schafts­lei­ter die Info, dass wir für das „Hil­fe­leis­tungs­kon­tin­gent Stan­dard“ der Regie­rung von Ober­fran­ken alar­miert wor­den sind. Ein Zusam­men­schluss meh­re­rer Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, ver­schie­de­ner Ein­hei­ten aus unter­schied­li­chen Fach­rich­tun­gen und Gerätschaften.

Nun wuss­ten wir, dass die Sache ernst wer­den wür­de. Die Kame­ra­den und ich, selbst die Füh­rung, hat­ten weder genaue Infor­ma­tio­nen noch Vor­stel­lun­gen was uns vor Ort erwar­ten wür­de. Wir wuss­ten nur grob, dass unse­re Rei­se nach Rhein­land-Pfalz gehen soll­te. Wir berei­te­ten uns daher auf eine Ein­satz­dau­er von drei bis zu fünf Tagen vor. Daher hieß es nun für uns Sachen packen, dem Chef die Sach­la­ge erklä­ren und so schnell wie mög­lich nach Holl­feld zum Bereit­schafts­heim zu kom­men. Der dor­ti­ge Abrück­zeit­punkt war um 11:15 Uhr. Treff­punkt des ers­ten Sam­mel­platz­tes war um 12:00 Uhr in Bay­reuth an der Wache Süd um von dort aus mit sechs Fahr­zeu­gen zum Sam­mel­punkt Aschaf­fen­burg zu fah­ren, wo wir uns mit allen wei­te­ren Ein­hei­ten des „Ober­fran­ken-Kon­tin­gen­tes“ zusam­men­schlie­ßen sollten. 

Als wir schließ­lich am Sam­mel­punkt anka­men, gab es eine, durch den Mal­te­ser Hilfs­dienst, gestell­te Ver­pfle­gung. Vie­le von uns hat­ten näm­lich weder rich­tig gefrüh­stückt noch aus­rei­chend getrun­ken. Nach­dem dann alle Ein­hei­ten aus Ober­fran­ken ein­ge­trof­fen waren, wur­den wir in zwei Kon­vois auf­ge­teilt. Die­se soll­ten in zeit­lich ver­setz­ten Abstand los­rol­len, damit der Ver­kehr nicht zu sehr gestört und belas­tet wird. So ein Kon­voi zählt offi­zi­ell näm­lich nur als ein Fahr­zeug und auch wenn beim Über­que­ren einer Ampel, die­se auf Rot sprin­gen soll­te, wird mit Son­der­si­gna­len und Mar­tins­horn über die­se drü­ber­ge­fah­ren, egal wie vie­le Fahr­zeu­ge noch folgen.

Nach­dem wir dann nach. einer Gesamt­fahr­zeit von ca. acht Stun­den und einer Marsch­ge­schwin­dig­keit von 80 km/h auf der Auto­bahn an unse­rem soge­nann­ten Bereit­stel­lungs­raum anka­men, waren wir alle ziem­lich geschafft und müde. Als Unter­kunft für Mann­schaft und Fahr­zeu­ge soll­te uns eine staat­li­che Blin­den- und Seh­be­hin­der­ten­schu­le im klei­nen Ört­chen Neu­wied die­nen. Die­ses Are­al wur­de für die Ein­satz­kräf­te aus Ober­fran­ken abge­sperrt und so her­ge­rich­tet, dass wir unser Equip­ment auf­bau­en und unse­re Schlaf­quar­tie­re bezie­hen konn­ten. Wir als SEG-Ver­pfle­gung bestan­den aus 13 Kame­ra­din­nen und Kame­ra­den, einer Tak­ti­schen-Feld-Küche (TFK), zwei Kühl­an­hän­gern, unse­rem Mann­schafts­trans­port­wa­gen 14/11, dem Mehr­zweck­fahr­zeug 11/1 und unse­rem LKW-Gerä­te­wa­gen-Logis­tik 59/1.

Am fol­gen­den Tag mach­te sich unse­re Ein­heit auf um Lebens­mit­tel, für das Hil­fe­leis­tungs­kon­tin­gent und somit für die Hel­fer, zu besor­gen. Der nahe­ge­le­ge­ne Metro-Groß­markt dien­te uns dafür. Am Ende des Ein­kaufs stand die beacht­li­che Sum­me von 2661,07 € auf dem Kassenbeleg.

Noch am sel­ben Tag mach­ten wir uns dann mit unse­rer TFK und den Fahr­zeu­gen auf, um in den ers­ten Bereich des Scha­dens­ge­biets nach Bad Neu­en­ahr-Ahr­wei­ler zu gelan­gen. Dort unter­stüt­zen wir wei­te­re Kol­le­gen bei ihren Auf­ga­ben, hal­fen den Orga­ni­sa­to­ren eines ehren­amt­li­chen Ver­eins, LKW-Ladun­gen an Sach- und Lebens­mit­tel­spen­den in ein pro­vi­so­risch ein­ge­rich­te­tes Lager zu räu­men und konn­ten uns somit ein ers­tes Bild vom Aus­maß der gan­zen Lage machen.

Am Mitt­woch, der Tag dar­auf, begann der Dienst für uns schon um kurz vor 04:00 Uhr in der Frü­he. Damit wir dem THW sowie Anwoh­nern und frei­wil­li­gen Hel­fern ein Früh­stück bie­ten konn­ten, wel­ches nicht nur aus einem kal­ten Wurst- oder Käse­bröt­chen bestand, muss­ten wir bereits um 04:30 Uhr im Ein­satz­ge­biet sein. Denn das „hoch­fah­ren“ der Feld­kü­che bedarf einer gewis­sen Zeit, doch nach­dem die­se ein­satz­be­reit war, mach­ten wir uns ans Werk und mach­ten eini­ge Por­tio­nen Rühr­ei. Damit das Früh­stück auch unter die Men­schen kam teil­te sich unser Trupp. Die eine Hälf­te blieb beim Koch-Stand­ort, die Ande­ren fuhr mit unse­rem Mann­schafts­wa­gen zur Essens­aus­ga­be­stel­le und Ver­teil­te dort das Frühstück.

Bis­lang war es nur unse­re Auf­ga­be Ein­satz­kräf­te zu ver­sor­gen, doch heu­te wür­den wir von den Betrof­fe­nen aus ers­ter Hand erfah­ren wie sich alles hier zuge­tra­gen hat.

Wir erfuh­ren, dass vie­le Anwoh­ner obdach­los waren und das schon seit Tagen. Man­chen Betrof­fe­nen lief auch die ein oder ande­re Trä­ne über die Wan­ge, da sie nach meh­re­ren Tagen ohne Essen, end­lich etwas zu Essen beka­men und sogar etwas War­mes. Auch an uns ging die­se Begeg­nung nicht spur­los vor­über. Als unser Dienst an die­sem Tag zu Ende ging, hat­te bestimmt jeder von uns die ein oder ande­re Minu­te, in wel­cher er in sich ging und über das Erleb­te und das Leid die­ser Men­schen nachdachte.

Wor­über sich unse­re Ein­heit einig war, war die Begeis­te­rung und das Erstau­nen über die Hoff­nung, die Hilfs­be­reit­schaft und die Dank­bar­keit der Men­schen vor Ort und mit wel­cher Stär­ke sie ihrem Schick­sal und der Situa­ti­on begegneten.

Nach einem ereig­nis­rei­chen und berüh­ren­den Tag lie­ßen wir den Tag ruhig unter Kame­ra­den aus­klin­gen und leg­ten uns anschlie­ßend mit viel Erschöp­fung und vie­len Gedan­ken auf unse­re Feld­bet­ten und ver­such­ten zumin­dest ein paar Stun­den Schlaf zu bekommen.

Der Don­ners­tag wäre eigent­lich der letz­te Tag des Ein­sat­zes, auch für uns. Jedoch trenn­ten wir uns, nach Abspra­che mit der Füh­rung, vom Ober­fran­ken-Kon­tin­gent. Für uns war der Ein­satz in Rhein­land-Pfalz näm­lich noch nicht vorbei…